Rinderknochen, Schutt und Gruben

Das Anfang August in einer mittelalterlichen Grube entdeckte Tierskelett ist vermutlich doch kein Schwein, sondern ein Rind. Die genaue Bestimmung der Spezies sowie das Alter und Geschlecht stehen noch aus. Die Knochen gehen kommende Woche auf die Reise nach Süddeutschland, um archäozoologisch untersucht zu werden.
Zu diesem einen Rind haben sich im Laufe der vergangenen Woche zwei weitere, die ebenfalls komplett in das Erdreich gelangt sind, hinzugesellt. Auch die neuen Befunde stammen nachweislich der in der Grubenverfüllung gemachten Funde aus dem späten Mittelalter oder aus dem Übergang zur frühen Neuzeit. Rätselhaft bleibt jedoch nach wie vor, warum die Tiere komplett, also unzerlegt, in das Erdreich gelangten.

IMG_2586
Arbeitsfoto über den aktuellen Stand der Freilegung eines weiteren Rinderskeletts. Links im Bild sind die Hinterläufe erkennbar, der darüber liegende Beckenbereich ist stärker beschädigt, die daran anschließenden Lendenwirbel und die Rippen hingegen sind recht gut erhalten. Im Laufe der kommenden Woche wird das Skelett vollständig freigelegt werden.  

In der Zwischenzeit gehen die Arbeiten am ehemaligen Haus Große Rosenstraße Nr. 7 dem Ende entgegen. Der älteste Gebäudegrundriss ist aus dem Jahre 1893 erhalten und stimmt in der Breite und Länge des gesamten Gebäudes mit den während der Grabung freigelegten Mauerkronen überein. Ansonsten sind nur wenige historische Informationen über dieses Gebäude verfügbar. Dieses Haus ist vor allem im Süden (Richtung Große Rosenstraße) stark beschädigt worden und große moderne Gruben haben die alten Fußböden hier gänzlich zerstört.

IMG_2554
Das Foto zeigt den Südbereich des alten Gebäudes Große Rosenstraße Nr. 7 (Blick von Norden). In der Bildmitte ist ein großer Trümmer aus Beton und Steinen zu sehen, der in die umgebende Grube geworfen wurde. Glücklicherweise hat sich unterhalb dieser Grube eine rein mittelalterliche Schicht erhalten, aus der neben Tongefäßscherben auch ein Spinnwirtel geborgen werden konnte.

Im nördlichen Teil des Gebäudes sind die Fußböden jedoch lehrbuchhaft erhalten geblieben. Zwar sind auch diese stellenweise durch jüngere Gruben gestört, dabei handelt es sich aber um Störungen, die selbst sehr alt sind  und für die Geschichte des Wohnquartiers relevante Funde enthalten, wie beispielsweise die Steinzeug-Scherbe aus dem Jahr 1600.

IMG_2543
Das Foto zeigt den Querschnitt durch den nördlichen Teil des Gebäudes Große Rosenstraße Nr. 7 (Blick von Norden). Man erkennt die unterschiedlichen Schichten recht deutlich, die jeweils unterschiedliche Fußböden in der langjährigen Nutzung des Gebäudes darstellen. 

Aus derselben Abfallgrube, die in die Zeit nach 1600 datiert werden kann, stammt auch eine Eisenschere. Sie stellt ein weiteres Puzzlestück dar, mit dem das Alltagsleben der Weber und Tuchmacher in diesem Quartier rekonstruiert werden kann. Damit liegen nun schon mehrere Spinnwirtel, das Fragment eines Webgewichts, erhaltene Stoffreste, Bleiplomben zur Versiegelung der Tuchballen, kupferne Nadeln und schließlich diese Schere vor.

IMG_2529
Dieser Fund einer Eisenschere ist ein klarer Fall für die Restaurierung. Dennoch ist die Form noch gut zu erkennen. Mit einer Gesamtlänge von etwa 20 cm wird diese Schere zum Schneiden von Tuch eingesetzt worden sein. Der Fund datiert um das Jahr 1600.

Das Spätmittelalter ist auf der untersuchten Fläche bislang überwiegend in Form unterschiedlich großer Gruben und aus den jüngeren Schuttschichten stammende Einzelfunde vertreten. Es hat den Anschein, dass im westlichen Bereich, also mit zunehmender Entfernung von der Johannisstraße die Gruben spärlicher werden. Auch die drei Gruben aus denen die Rinderknochen geborgen werden konnten, treten ab einer Linie an der westlichen Außenmauer des Gebäudes Nr. 7 auf. Der weitere Verlauf der Grabung, insbesondere die Ausgrabung des ehemaligen Gebäudes Nr. 8, können noch einige Überraschungen bieten, zumal in diesem Gebiet das Fragment des Aquamanile gefunden wurde. Erste Abtragsarbeiten hier haben schon begonnen und unter anderem die eingangs erwähnte Grube mit den Rinderknochen erbracht. Südlich angrenzend befindet sich ein moderner aus Backsteinen aufgemauerter Keller, der randvoll mit Schlacke, Glasscherben und Gesteinstrümmern verfüllt ist. In diesem Bereich ist vermutlich nicht mehr mit einer Befunderhaltung zu rechnen.

IMG_2553
Der nordöstliche Teil des Gebäudes Große Rosenstraße Nr. 8 zeigt ein Konglomerat an unterschiedlichen Gruben und Gräben, teilweise modern, da in ihnen noch Plastikmüll oder alte Regenrohre sowie Leitungen stecken (beispielsweise das Rohr links im Bild, das entlang der Mauer verläuft). Das annähernd quadratische Podest aus Bruchsteinen, rechts im Bild, gehört zu einem Treppenaufgang. Fußböden haben sich in diesem Bereich leider nicht erhalten.

 

 

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s