Aus der Sicht der Grabungshelfer: Zeichnen der Funde

Zwischen der wissenschaftlichen Auswertung der Funde und dem Waschen der Keramik, zwei Themen, auf die Lara bereits eingegangen ist, findet ein weiterer wichtiger Prozess – das Zeichnen der Funde – statt.

Da mag sich nun der ein oder andere fragen, wieso die Funde zusätzlich zu einer Fotografie (selbst wenn diese einen Maßstab enthält) überhaupt gezeichnet werden müssen.

Die zeichnerische Funddokumentation ist jedoch, besonders im wissenschaftlichen Kontext, ein wichtiges Fundament der Auswertung der gefundenen Objekte (vor allem, falls diese zum Vergleich der eigenen Funde herangezogen und nicht vor Ort betrachtet werden können).        

Fotografien geben, passende Beleuchtung, Untergrund etc. vorausgesetzt, ein Objekt anschaulich original wieder, so wie es in einem Museum betrachtet werden kann. Aber genau dies kann gleichzeitig auch als Nachteil betrachtet werden. Archäologische Funde werden in Publikationen nämlich häufig „vereinfacht“, also auf das Wesentliche konzentriert wiedergegeben. So können durch z.B. Verwitterung entstandene Beschädigungen der Objekte vernachlässigt werden, Einzelheiten wie Bearbeitungsspuren, die kaum sichtbar sind können hervorgehoben werden, fehlende Stellen ergänzt werden usw. Außerdem wird eine Verfälschung durch Beleuchtungsschatten oder -reflexe, eine schlechte Bildqualität usw. vermieden.  In einer wissenschaftlichen Publikation werden außerdem verschiedene Ansichten, die durch eine Fotodokumentation nicht immer möglich sind, wie beispielsweise das Profil eines Objektes, wiedergegeben.

Durch zahlreiche Richtlinien, beispielsweise bezüglich des Maßstabes, der Linien-dicke, der Struktur der Linie, der Orientierung, der Oberflächengestaltung (Strich- und Punktdichte, -richtung), des Maßstabes etc. werden die Übereinstimmungen unterschiedlicher Zeichnungen/Zeichner gegeben. 

Beispielsweise die Zeichenrichtlinien des Bayrischen Landesamtes für Denkmalpflege: http://www.blfd.bayern.de/medien/richtlinien_zeichnungen.pdf.

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Hier ist ein Teil der verwendeten Materialien, die zum Zeichnen benötigt werden, zu sehen: Millimeterpapier, ein Profilkamm (hier blau), eine Schieblehre, (Radiergummi), Geodreieck Druckminen- und Fallminenbleistift. Nicht im Bild, aber meist verwendet werden außerdem Zirkel und Winkelmesser.

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Randscherben, die in Schnitt 3, Befund 165 gefunden wurden.

Als Beispiel wird hier der Zeichenprozess der oberste und größte Scherbe des Bildes dargestellt.

Zu Beginn müssen die wichtigsten Angaben des Fundes, wie Fundstelle, -ort und -nummer sowie der Maßstab auf das Millimeterpapier übertragen werden. Daten, die wir auf dem im Bild zu sehenden Fundzettel ablesen können.

Da bei einer Randscherbe der Radius/Durchmesser der Keramik nicht durch Abmessen ermittelt werden kann, kommt hier eine eine sogenannte „Rillenscheibe“ zu Hilfe.

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Auf dieser sind verschiedene Kreisgrößen angegeben (im Prinzip sieht eine Rillenscheibe aus wie eine alte Schallplatte). Das Randstück wird nun so lang an die verschiedenen Kreise angelegt, bis eine Übereinstimmung stattfindet.

Nun erst beginnt der eigentliche Zeichenprozess.

Hier ist es wichtig auf den Winkel, in dem man die Keramik hält, zu achten. Die horizontale Oberkante des Gefäßes/der Scherbe muss so gehalten werden, dass sie genau in einem rechten Winkel zur Tischkante liegt. Dies funktioniert am besten mit Hilfe eines Winkelmaßes oder einer kleinen Kiste (vorausgesetzt, diese hat perfekt gerade und glatte Kanten).

anhalten

Stehend kann man nun, wenn man genau senkrecht auf die Keramik schaut, ein Auge geschlossen, die Außenkante der Keramik mit einem Bleistift auf dem Millimeterpapier punktieren.

Im nächsten Schritt wird mit einem Profilkamm (die Scherbe wird weiterhin im rechten Winkel gehalten) das genaue Profil abgenommen.

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Dies kann nun auf das Papier übertragen werden – die zuvor entstandenen Punktierungen dienen hier als Orientierung.

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Anschließend wird mit einer Schieblehre (an der Stelle, an der der Profilkamm angelegt wurde) die Dicke der Scherbe an mehreren markanten Stellen abgenommen und auf die Zeichnung übertragen.

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Diese Punkte dienen als Markierung für das Innenprofil, für das der Profilkamm nun an der (selben Stelle der) Innenseite angelegt wird.

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Um die Zeichnung zu vervollständigen und die Keramik als Gefäß erkenntlicher zu machen, werden nun am Boden sowie der Oberkante der Keramik Linien in der Länge des zuvor ermittelten Radius/Durchmesser gezogen.

Kleine Linien deuten den tiefsten Punkt einer Rille oder Falte etc. an, Punktierungen können Beschädigungen andeuten.

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Gibt es einen Henkel, Ausguss, Bemalungen oder sonstige Besonderheiten, so werden diese in einer weiteren Profilzeichnung oder Aufsicht festgehalten.

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